Für ihren ersten Marathonlauf hatte sich Carmen Lehner etwas ganz Besonderes ausgesucht: Sie wollte bei einem echten Klassiker – dem Athen-Marathon mitlaufen. Wie die Olympioniken läuft hier jeder Finisher ins Panathinaikon-Stadion, wo sich seit 1896 das Ziel der Strecke von Marathon nach Athen befindet. Mit ihrem Mann Volker flog Carmen schon am Freitag vor dem Lauf nach Athen, um sich etwas zu akklimatisieren. Anschließend wollten sie noch ein paar Tage Urlaub dort verbringen. Eine Erkältung, die sie noch kurz vor der Reise erwischt hatte, konnte sie vor dem Lauf halbwegs bekämpfen. Ziemlich nervös und mit sehr wenig Schlaf ging es dann am Sonntagmorgen schon ganz früh los. Die Teilnehmer wurden mit Shuttlebussen nach Marathona gebracht, wo um 9 Uhr der Startschuss für die mehr als 3.600 Aktiven fallen sollte. Zum Pech der Läufer regnete es morgens bereits in Strömen und Carmen war schon nass bis auf die Haut als sie in den Bus stieg. Der Regen hörte auch bis zum Start nicht auf, sondern wurde nur manchmal schwächer, dann aber wieder stärker. Auf der breiten (gesperrten) Hauptstraße ging es raus aus Marathon und über Land, vorbei an verstreut liegenden Bauernhöfen und Häusern. Hier standen immer wieder Zuschauer am Straßenrand, die gemeinsam mit den Streckenposten den Teilnehmern applaudierten und sie aufmunterten. Im Training und auch beim letzten Testlauf, dem Halbmarathon im Bottwartal, kam Carmen die angestrebte Geschwindigkeit von ca. 6:25 min. pro Kilometer sehr einfach vor und so hatte sie sich eine Endzeit von etwa 4:30 Stunden vorgenommen. Doch heute war alles anders als im Training. Schon ab dem 1. Kilometer waren die Füße bleischwer und die nassen Laufschuhe fühlten sich an wie schwere Klötze. Ab Kilometer 5 fingen dann die Fußsohlen wegen der Nässe an zu brennen. Doch Carmen lief tapfer weiter. Zu Beginn leicht bergab, dann mehr oder weniger eben und ab Kilometer 10 stetig ansteigend. Die wolkenverhangenen Berge um Marathon waren da zumindest optisch ein netter Begleiter. Nach 12 Kilometern hörte es endlich auf zu regnen und vereinzelt ließ sich sogar die Sonne sehen. Die war aber gleich so kraftvoll, dass es für einen Sonnenbrand reichte. Nach 16 Kilometern dann ein Gegengefälle und anschließend, ab der Halbmarathonmarke bei Kilometer 21, weitere 10 lange Kilometer heftig bergauf. Mehr als 200 Höhenmeter mussten die Läufer hier noch bewältigen. Besonders bergauf spürte Carmen die noch nicht ganz verkraftete Erkältung. Trotzdem nahm sie sich vor, keine Gehpausen einzulegen, sondern – wenn auch langsam – durchzulaufen. Von ihrer geplanten Endzeit hatte sie sich inzwischen verabschiedet. Nach 31 Kilometern erreichten die Läufer dann bereits die Außenbezirke von Athen und damit den höchsten Punkt der Strecke. Hier ging es zunächst steil hinab und dann weiter - mehr oder weniger fallend - bis ein erster Blick auf das Wahrzeichen Athens, die Akropolis, eine kleine Belohnung für die Strapazen bot. Auf den letzten Kilometern bis zum Ziel motivierte sich unsere Lauftrefflerin immer wieder selbst – und es funktionierte! Die Geschwindigkeit wurde wieder besser und irgendwann konnte sie doch wieder Hoffnung auf eine Zeit unter 5 Stunden schöpfen, was ihr zwischendrin unmöglich erschien. Kurz vor dem Ziel noch an der Läufer-Statue vorbei und dann erfolgte der Zieleinlauf wie beim ersten historischen, olympischen Marathon in das alte Olympiastadion von Athen. Eine beeindruckende Kulisse, die für Carmen Lehner wie für alle anderen Läufer ein unvergessliches Erlebnis bleiben wird. Und der Blick auf die Uhr bestätigte es: 04:58:22 Stunden – sie hatte es unter 5 Stunden geschafft!! In den Frauenwertung stand sie damit als 378. in der Liste und in ihrer Altersklasse W35 wurde sie 43. Leider werden hier die Bruttozeiten gewertet – 5:02:11 Stunden – also inklusive der fast 4 Minuten vom Startschuss bis zum Überqueren der Startlinie. Doch das störte Carmen nicht mehr, denn nach 42,2 Kilometern ohne Gehpause von Marathon bis nach Athen, hatte sie ihren ersten Marathon trotz aller Hindernisse gut hinter sich gebracht.